Manesse Verlag |
SEI SHONAGON
KOPFKISSENBUCH
(Original: Makura-no-soshi)
Aus dem
Japanischen übersetzt und neu herausgegeben von Michael Stein
Ein wunderschön gestaltetes Buch mit einem gelben Einband,
den ein Zweig voll roter Blüten ziert. Nimmt man es in die Hand fällt die
„Wattierung“ auf, als hielte man ein Kopfkissen.
Tagebuchaufzeichnungen
um das Jahr 1000
Alles begann mit zwanzig Bögen Papier, die Sei Shonagon
von ihrer Kaiserin Sadako als Geschenk bekam. Die Hofdame schildert das Leben im
Kaiserpalast um das Jahr 1000, der friedlichen Heian-Zeit. Jeder Japaner kennt
die „freimütigen“ Erzählungen der Hofdame, denn das Kopfkissenbuch gehört zur
japanischen Literaturgeschichte und zur Weltliteratur. 1875 wurden die
Aufzeichnungen der Dichterin zum ersten Mal in eine europäische Sprache
übersetzt.
Sei Shonagons Buch ist eine Art Tagebuch mit mehr oder
weniger langen Notizen über ihre Beobachtungen am Kaiserhof. Gleichzeitig
notierte sie ihre Gedanken über die Natur, Bäume, Berge, Flüsse, Seen, Wälder, das,
was sie gern oder weniger gern mag, was sie erschreckt, was ihr zu Herzen geht,
was nicht gut aussieht, Peinliches, Enttäuschendes, was man sich anschauen
sollte, über Feste und Feierlichkeiten, ebenso wie die Gepflogenheiten am Hof.
In 325 Abschnitten erfährt der Leser Wissenswertes,
Lustiges, Interessantes, Gedichte, Schriften und Erzählungen über die
japanische Kultur der damaligen Zeit. Die Abschnitte können in beliebiger
Reihenfolge gelesen werden.
Man wünscht sich
„Gutes Neues Jahr“
Das Buch beginnt mit einem Eintrag über die Jahreszeiten:
„Im Frühling liebe ich die Morgendämmerung, wenn das Licht allmählich
wiederkehrt….“ Es folgen Gedanken zu Monaten, die „jeder zu seiner Zeit“ ihre
eigenen Reize haben. Zum Beispiel wird am Neujahrstag dem Kaiser viel Glück
gewünscht. Man zieht etwas Besonderes an und schminkt sich sorgfältig. Jeder
wünscht jedem ein gutes Neues Jahr. „Wie herrlich, wenn alles einmal ganz
anders ist als im Alltag“, notiert Sei Shonagon in ihr Kopfkissenbuch.
Das Leben am
japanischen Kaiserhof
Kurze und längere, über mehrere Seiten gehende, mit
spitzer Feder notierte Eintragungen zeichnen das Leben am Kaiserhof nach. Sei
Shonagon lässt ihre Meinung einfließen oder schreibt als Beobachterin
Geschichten, die sie mit den Hofangestellten, des Kaisers und der Kaiserin
erlebt; Legenden, Begegnungen bei Nacht, offizielle Zeremonien oder auch die
Geschichte von der Katze und dem Hofhund. Manchmal sind es nur ein paar Worte,
ein Satz („18: Schwerter: Am schönsten sind juwelengeschmückte Prachtstücke.“)
oder subjektive Gedanken. Wichtig sind der Autorin die Kombinationen der
Kleiderfarben, die sie lobt oder kritisiert.
Zur Unterhaltung am Hof zählten die Kalligraphie, das
Flötenspiel und das Verfassen von Stegreifgedichten, worin es zu Wettbewerben,
auch mit der Kaiserin kam.
Sei Shonagon und
die Entstehung des Kopfkissenbuches
Sehr interessant sind die Ausführungen am Ende des
Buches. Hier wird über Sei Shonagun selbst und ihre Familie berichtet. Ihr
Vater war bereits Experte für Dichtkunst und erhielt Einladungen zu Dichtwettbewerben
am Kaiserhof. Sei Shonagon selbst erlernte ebenfalls die Dichtkunst, sogar die
chinesische Literatur war ihr bekannt. Höhepunkt ihres Lebens war der Eintritt
in den Dienst am Kaiserpalast als sie knapp dreißig Jahre alt war, später wurde
auch ihre Tochter eine Hofdame.
Das Kopfkissenbuch wurde schon zu Lebzeiten Sei Shonagons
gelesen und spiegelt den Alltag wieder, für spätere Generationen wurde es eine
wertvolle Quelle über die Heian-Zeit. In einem weiteren Kapitel werden der
Kaiserhof zu Kyoto, seine Gesellschaft und die Bräuche beschrieben.
Im anschließenden Glossar werden umfangreiche Erklärungen
gegeben, die die zahlreichen Anmerkungen im Text unterstützen. Zum besseren
Verständnis folgt ein Personenverzeichnis, das die komplizierte Verteilung von Namen
und Titeln erklärt. Nach der editorischen Notiz folgt das Inhaltsverzeichnis.
Übersetzer:
Das zum ersten Mal vollständig auf Deutsch vorliegende Kopfkissenbuch
wurde von dem Japanologen Michael Stein
(geb. 1948) übersetzt. Er promovierte über die Heian-Zeit und lehrt seit 1980 in
Tokyo. 1997 erschien sein Buch „Japans Kurtisanen“ über die umfangreiche
Kultur- und Sittengeschichte fernöstlicher Erotik und Unterhaltungskunst. Michael
Steins Übersetzung „Mond überm Dachfirst“ der modernen Klassikerin Higuchi Ichiyo
im Manesse-Verlag, wurde hochgelobt.
Fazit:
Ein sehr interessantes Buch, das Japanliebhaber immer
wieder gern zur Hand nehmen werden, um sich darin zu verlieren. Wer vorher noch
nicht so viel über Japan wusste, lernt das Leben am Kaiserhof um das Jahr 1000
kennen, als in Europa kaum jemand schreiben oder lesen konnte. Der feine
Einband und die sorgfältige Auswahl der Schrift und des Papiers machen das Buch
wertvoll und zu einem besonderen Geschenk.
Sei Shongon
Kopfkissenbuch
384 Seiten, farbige Fadenheftung
Foliengeprägter Feinleinenband mit zweifarbigem
Schmucksatz
Format 22 x 22 cm