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Bergsteiger Special |
Im Doppelpack
2017 wurden die Chiemgauer Orte Sachrang und Schleching
Bergsteigerdorf im Doppelpack. Bergsteiger-Autor Michael Pröttel hat die
beiden Gemeinden besucht – über den Berg, der sie verbindet: den Geigelstein.
Wenn der Schlechinger Bürgermeister Josef Loferer seinen
ehemaligen Aschauer Kollegen Peter Solnar besucht, würde er als begeisterter
Berggeher wahrscheinlich am liebsten den Geigelstein überschreiten. Denn der
Weg durch das zwischen Prien- und Achental gelegene Naturschutzgebiet ist
wunderschön und verbindet die beiden Gemeinden seit vielen Jahren in Fragen der
Forst- und Berglandwirtschaft sowie des Tourismus. 1975 gründete sich wegen
einer geplanten Skischaukel die Bürgerinitiative »Rettet den Geigelstein «.
Nach Jahren harter Auseinandersetzung wurde der »Blumenberg des Chiemgaus« 1991
schließlich unter Naturschutz gestellt.
Keine Schnapsidee
Bei einem Festakt zum 25. Jubiläum des Naturschutzgebietes
kamen die beiden Bürgermeister auf die geografisch und inhaltlich naheliegende
Idee, sich gemeinsam als zweites deutsches Bergsteigerdorf zu bewerben.
»Bereits in den 90er-Jahren wurde bei uns das Ökomodel Achental gegründet, in
dem man gemeinsam mit den Bauern eine klein strukturierte Landwirtschaft und
einen möglichst sanften Tourismus umsetzen wollte«, erzählt Josef Loferer.
Weitere Ziele des Ökomodells sind die Förderung eines naturverträglichen
Gewerbes sowie die Nutzung erneuerbarer Energieträger aus der Region.
Dass die Geigelsteinbahn seit 2013 stillsteht, ist für das Bergsteigerdorf
laut Loferer kein Nachteil, da den Wanderern gute Einkehrmöglichkeiten
viel wichtiger sind: »Das sieht man beispielsweise an der Priener Hütte, die
auch ohne Seilbahn von jeher sehr gut besucht wird.« Das Hauptpotential seines
Bergsteigerdorfes sieht der Bürgermeister daher eben nicht in Aufstiegshilfen,
sondern in den umliegenden Bergen an sich. Vor seinem Rathaus lässt Loferer den
Blick über Kampenwand, Hochplatte und Hochgern schweifen und bleibt bei seinem
Lieblingsberg hängen. »Die Rudersburg ist ein genauso toller wie unbekannter
Aussichtsgipfel, auf dem ich beim Anstieg auf alten Jägersteigen so richtig
Kraft schöpfen kann.«
Mit dem Titel »Bergsteigerdorf« möchte Loferer die Gäste
auch für den Umweltschutz sensibilisieren und hofft, »dass auch Tagestouristen
ihren Proviant beim mit regionalen Produkten bestückten Dorfladen kaufen.«
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Sachrang Schleching, Tourist-Info Aschau i. Chiemgau |
Auf
konkrete Projekte angesprochen, sagt er: »Unser großes Ziel ist eine
Ringbuslinie rund um den Geigelstein, die beide Gemeinden verbinden und nicht
nur Wanderern, sondern auch Schülern und Werktätigen sehr nützen würde.«
Derzeit ist eine Machbarkeitsstudie in Arbeit und auch die anderen Bürgermeister
der auf der Strecke liegenden Orte stehen dem Vorschlag offen gegenüber, wie Loferers ehemaliger Amtskollege Peter Solnar in Sachrang
erzählt.
Der Weg zu ihm über den Geigelstein führt nach einem
schattigen Einstieg durch vitalen Bergmischwald zunächst an der urigen
Haidenholzalm vorbei. Das alte Gebäude passt perfekt zum Image »echtes
Bergsteigerdorf« und ist das Gegenteil einer Tiroler Touristen-Jausenstation. Es werden nur einfache Almbrotzeiten
angeboten. Und auch die etwa 400 Höhenmeter weiter oben gelegene Roßalm hat
inmitten blumenreicher Almwiesen ihren urigen Charme bewahrt. Nicht zuletzt
auch deswegen, weil sich der Naturschutz hier vor gar nicht langer Zeit ein zweites Mal durchsetzte. 2005 sollte
eine Almstraße von der Oberkaseralm zur Roßalm gebaut werden. Der Bund
Naturschutz verhinderte jedoch mit einer Klage die Durchführung dieses
Vorhabens.
Klein aber fein
So wandert man zum Geigelstein nach wie vor über einen
wunderschönen, schmalen Bergweg, der über weite, weiche Berghänge zum leicht
begehbaren Schlussanstieg führt. Nach drei Stunden Gehzeit befindet man sich am
jeweils höchsten Punkt der beiden Bergsteigerdorf-Gemeinden und genießt eine
Aussicht, die über das Inntal bis zum Alpenhauptkamm reicht. Steil geht es dann
hinab zur sommers wie winters beliebten Priener Hütte und von hier – einziger Wermutstropfen der
Geigelstein-Überschreitung – auf einem längeren Abstieg über Forststraßen nach
Sachrang, wo Peter Solnar schon wartet.
Als ehemals Stellvertretender Vorsitzender des
Gemeindenetzwerks »Allianz in den Alpen« ist der Alt-Bürgermeister von Aschau ein
Kenner in Sachen Ortsentwicklung in den Alpen und trieb die Bewerbung als Bergsteigerdorf
damals voran: »Aschau legt Wert auf die Qualität, wie sie jetzt schon ist.
Klein aber fein. Wir wollten authentisch bleiben und nicht irgendwas machen,
damit die Gäste kommen. Die Gäste sollen kommen, weil es hier so ist, wie es
ist.« Ganz wichtig waren für Solnar auch die sozialen Nebeneffekte der
Bewerbung: »In den Workshops dazu haben sich viele Bürger erst richtig kennengelernt.
Man hat sich zusammengefunden und gefragt: Wer sind wir und wo wollen wir hin?«
Im Rückblick lässt sich heute sagen: Die Richtung stimmte und stimmt noch
immer. In beiden Gemeinden.
Sachrang (Ortsteil der Gemeinde Aschau)
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Lage: im Priental kurz vor der österreichischen
Grenze zwischen Spitzstein und Geigelstein
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Höhe: 738 m
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Einwohner: 600
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Anreise: Mit der Bahn über Prien am Chiemsee
nach Aschau im Chiemgau. Von dort weiter mit der RVO-Buslinie 9502 nach
Sachrang
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Wichtige Gipfel: Breitenstein (1661 m),
Geigelstein (1808 m), Spitzstein (1596 m), Zinnenberg (1565 m)
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Hütten: Priener Hütte (1411 m), Spitzsteinhaus
(1252 m)
Schleching
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Lage: im Tal der Tiroler Ache auf der Südseite
von Kampenwand und Hochplatte
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Höhe: 569 m
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Einwohner: 2000
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Anreise: Mit der Bahn nach Prien am Chiemsee
oder Übersee und von dort weiter mit der RVO-Buslinie 9505 oder 9509 nach
Schleching
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Wichtige Gipfel: Geigelstein (1808 m) ,
Hochplatte (1586 m), Kampenwand (1669 m)
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Hütten: Priener Hütte (1410 m), Spitzsteinhaus
(1252 m)
Das Bergsteiger Special wird ab 12. September 2020 im Handel angeboten.
Weitere Informationen unter: www.Bergsteiger.de