Dienstag, 11. Mai 2021

Rezension: Die Hofgärtnerin - Frühlingsträume, Roman

Penguin
Rezension 

RENA  ROSENTHAL

DIE  HOFGÄRTNERIN - Frühlingsträume
Roman     

Marleenes Traum ist es, wie ihr Vater, in der Hofgärtnerei arbeiten zu können. Sie liebt Blumen über alles, besonders einen seltenen zweifarbigen Flieder. Doch vorerst bleibt dies ein Traum, denn um 1891 hat sie keine Chance als Mädchen eine Lehrstelle zu bekommen.

Nachdem ihr Vater gestorben ist, bleibt Marleene und ihrer Mutter nichts anderes übrig, als das schöne Haus mit den vielen Fliedersträuchern zu verlassen. Da ihre Mutter krank ist, muss Marleene für den Unterhalt sorgen. Sie hat Glück, dass sie eine Anstellung als Zimmermädchen in einem Hotel hat. Eines Tages findet sie in einem Gästezimmer beim Aufräumen die Preisliste der Hofgärtnerei und die Sehnsucht nach einer Arbeit dort, kehrt zurück. Zweimal wurde sie bereits abgewiesen, die Arbeit in einer Gärtnerei ist nichts für Frauen, die viel zu schwach dafür sind, glaubte man damals.

Mit ihrer Cousine Frieda, die eine Verkäuferinnen-Lehre in einem Blumengeschäft anfängt, teilt Marleene sich ein ärmliches Zimmer. Auch sonst halten die beiden Mädchen zusammen, auch wenn dies im Laufe der Geschichte nicht immer einfach ist.

Denn Frieda lernt Manilo kennen, der sich in der Hofgärtnerei um die Pflanzen in der Orangerie kümmert, die im Winter warm gehalten werden müssen. Er kommt aus Italien und kennt sich mit den Zitronen, Orangen und weiteren Pflanzen der Mittelmeerregion bestens aus. Außerdem stehen hier die Blumen für die Blumenläden in der Stadt Oldenburg, in der die Handlung spielt. Doch nach einer schlechten Erfahrung hat Frieda Angst ihrer Cousine von der neuen Freundschaft mit Manilo zu erzählen.

Auch Marleene hat ein Geheimnis. Nach einem Besuch bei ihrer Mutter, steht für sie fest:  sie muss ihren Traum wahrmachen und Gärtnerin werden. Wie hat ihr Vater immer gesagt: „Du musst schon selbst dafür sorgen, dass du glücklich bist…“
Eine richtige Lehre will sie und keine Stelle als Hilfsarbeiterin, die nur Unkraut zupfen darf und bei der sie nicht einmal so viel verdient, um das Zimmer ihrer Mutter zu bezahlen.

Marleene weiß, dass in der Hofgärtnerei dringend Arbeiter gebraucht werden. Der Lehrling wurde hinausgeworfen, weil er Pflanzen gestohlen hat, einer hat eine bessere Stelle gefunden und ein anderer Mitarbeiter ist schon länger krank.
Fest entschlossen kramt sie ihre Sachen zusammen, von denen sie hoffte, ein wenig auf dem Kramermarkt verkaufen zu können und schafft sich vom Erlös ein weites Hemd, eine Kappe und lange Hosen an. Nun noch die Haare abschneiden und dann konnte sie als Junge durchgehen, oder ?

Und tatsächlich, nach einer etwas holperigen Vorstellung und mit Glück kann sie als Marten eine Lehrstelle in der Hofgärtnerei ergattern. Denn beinahe hätte der Besitzer, Alexander Goldbach, sie wieder weggeschickt, als er sieht, wie schmächtig der „Junge“ ist. Die schwere Arbeit mit den Bäumen, würde der Junge bestimmt nicht schaffen und wir haben sowieso kaum Geld, denkt er bei sich.

In dem Moment kommt ein Paar, das sich vor einigen Tagen in der Gärtnerei ziemlich lange umgesehen hat und unentschlossen wieder ging. Missmutig begrüßt Alexander Goldbach die Kunden und lässt Marten einen Moment stehen, so dass dieser das Gespräch mitverfolgt. Nach längerem Hin und Her wollen die Kunden Apfelbäume für eine Allee kaufen. Doch da kommt Marten eine Idee und er schaltet sich in das Gespräch ein, um den Kunden Kastanien anzubieten, denn Apfelbäume werden nicht so hoch, dass Kutschen darunter hindurchfahren können und Kastanien sind stattlicher und höher. Und Obstbäume können die Kunden doch trotzdem pflanzen. Damit überzeugt Marten den Hofgärtnereibesitzer von seinem Verkaufstalent und dieser gibt ihm eine Chance.

Nun beginnt für Marleene/Marten eine aufregende Zeit. Sie lernt die Mitarbeiter sowie die Familie Goldbach kennen und trifft auf ihre „Schulfeindin“ Rosalie, Tochter des Hauses und ihre Brüder, die Marleene während der Schulzeit einen bösen Streich spielten. Sie lernt viel und sieht zum ersten Mal Rhododendren, die Julius, der zweite Sohn, von einer Chinareise mitgebracht hat. Der erste Sohn Konstantin hat ein „besonderes“ Auge auf sie geworfen. 
Wird sie ihre Tarnung aufrecht erhalten können ? Und wie lange ? Lesen Sie selbst…..

Fazit:
Ein rundum lesenswerter Roman über eine Hofgärtnerei, seine Mitarbeiter, nebst Pflanzen. Er spielt Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts im Oldenburger Land. Noch heute findet in Westerstede, der Hauptstadt des Ammerlandes, alle vier Jahre eine Rhododendron-Messe statt, denn im Norden Deutschlands, in der sauren Moorbeeterde gedeihen Rhododendren, Azaleen, Heiden u.a. besonders gut.

Rena Rosenthal ist es ein Anliegen, die Situation von Frauen um 1890 in der Arbeitswelt darzustellen, gerade auch die von Gärtnerinnen. Sie zeigt, wie schwierig es für Frauen war, den Beruf lernen zu können, den sie liebten und nicht den Beruf, der von ihnen standesgemäß erwartet wurde. Dass ein Zimmermädchen (auch Hilfsarbeiterinnen) vor Nachstellungen und Übergriffen männlicher Gäste nicht gefeit ist, ist leider bis heute Tatsache. Daneben ist auch die Arbeitszeit ein wichtiges Thema im Roman, denn diese war damals noch nicht auf acht Stunden geregelt.

Tatsächlich haben die Eltern und die Schwester der Autorin eine Gärtnerei und so lassen sich sehr viele Beschreibungen im Roman, wie die Tätigkeiten und das Verhalten der Mitarbeiter, natürlich die Arbeit mit den Pflanzen, etc. gut und glaubwürdig nachvollziehen, die sich bis heute kaum geändert haben, wie das Schneiden und Veredeln von Stecklingen.

Ein gelungener Roman, aus dem leicht erkennbar wird, dass die Autorin weiß wovon sie schreibt mit ihrem gärtnerischen Hintergrundwissen. Die Spannung um die Enthüllung Martens wird bis zum Schluss aufrechterhalten. Die Autorin wählt eine gute Ausdrucksweise, des macht Freude, das Buch zu lesen. Und am Ende erfährt man noch, was man alles mit Flieder machen kann….

 Da ich in der Regel mehr Sachbücher als Romane rezensiere, war ich von diesem Buch angenehm überrascht, das sich nicht mit langweiligen und  leeren Phrasen aufhält, sondern die Leserin und den Leser auf spannende, unterhaltsame Weise durch die Gartenwelt von 1891 führt. Ich bin auf den 2. Teil sehr gespannt und kann Die Hofgärtnerin „Frühlingsträume“ jedem wärmstens empfehlen, der sich für die Zeit, die Region und die Pflanzen interessiert.

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